Palzki und der flüchtende Bankräuber
Autor: Harald Schneider
Es hätte so ein schöner Tag werden können.
Von Selbstjustiz sind wir Polizeibeamte von Berufs wegen nicht sehr überzeugt. Selbstverteidigung und Notwehrgründe waren zwar akzeptabel, aber beispielsweise einen flüchtenden Teenager, der im Supermarkt eine Dose Cola stiehlt, mit einem Wagenkreuz aus dem Hinterhalt heraus niederzumähen, nein, das ging wirklich zu weit. Aber leider sind auch wir Polizeibeamte nicht vor Überreaktionen gefeit. In der Ausbildung wird zwar die Besonnenheit als eine sehr wichtige Charaktereigenschaft eines Beamten herausgestellt, im Berufsleben funktionierte das aber im Eifer des Gefechts nicht immer. Zum Glück gab es in den letzten Jahren diesbezüglich keine Pannen, wie sie vor rund 20 Jahren passierte, als ein Polizeibeamter einem auf seinem Mofa flüchtenden 15-Jährigen hinterherschoss, bloß weil dieser kein gültiges Versicherungskennzeichen besaß und die Verkehrskontrolle ignorierte. Das Projektil wurde aus dem Hinterrad des Mofas geborgen.
Diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, als die erste Meldung zu einem Überfall der Edigheimer Sparkasse in unserer Dienststelle ankam. Zwei Bankmitarbeiter sollen dem Täter gefolgt und ihn überwältigt haben, als er auf sein Fluchtfahrrad steigen wollte. Fahrräder als Fluchtfahrzeuge waren bei Bankräubern allgemein beliebt, zumal man verfolgende Polizeifahrzeuge bei guter Ortskenntnis leicht abschütteln konnte. Da meine Kollegen anderweitig beschäftigt waren und an diesem aufgeklärten Fall kein Interesse zeigten, machte ich mich auf den Weg zur Bank. Trotz des schnellen Fahndungserfolgs war das Gebäude weiträumig abgesperrt. Anscheinend war es nicht klar, ob es sich bei dem Festgenommenen um einen Einzeltäter handelte.
Im Büro des Bankdirektors, der in diesem Fall weiblich war, traf ich auf zwei Kollegen, die den vermeintlichen Räuber in Handschellen vernahmen. Die beiden Sparkassenmitarbeiter, die den Täter gefangen hatten, waren dabei.
»Ich bin unschuldig«, schrie der Verdächtige, der einen etwas verwahrlosten Eindruck machte und den ich auf Anfang 20 schätzte. »Ich war überhaupt nicht in dieser Bank.«
»Und wie kommt es, dass Sie die gleiche Jacke und die gleiche Mütze tragen wie der Täter? Schauen Sie sich das Bild unserer Überwachungskamera genau an, erkennen Sie sich nicht wieder?«
»Das bin ich nicht!«, schrie dieser. »Das Bild ist viel zu unscharf.« Insgeheim musste ich ihm recht geben. Nur mit viel Fantasie konnte man eine gewisse Ähnlichkeit abstrahieren. Ich mischte mich ein.
»Erzählen Sie, was aus Ihrer Sicht passiert ist.« Der Verdächtige beruhigte sich.
»Ich wollte gerade mein Fahrrad aufschließen, da kamen diese beiden Verrückten angerannt und nahmen mich in die Zange.« Ich wandte mich an die beiden Bankangestellten. »Habt ihr das Geld sichergestellt?«
Sie schüttelten den Kopf. »Nein, da war noch ein Kerl. Die beiden haben sich kurz unterhalten und dann ist der andere weggerannt. Wir konnten nur einen der beiden festhalten. Wahrscheinlich hat der andere das Geld.«
»Ihr spinnt alle«, unterbrach der Verdächtige. »Der Typ hat mich nur nach dem Weg gefragt. Ich kenne den überhaupt nicht.«
Ich musste gezielter vorgehen. »Gehen wir mal nach draußen und schauen uns die Lage an.« Die Bankdirektorin blieb im Büro, alle anderen gingen mit nach draußen. 50 Meter neben der Sparkasse stand ein Fahrrad an einem Baum. »Ist das Ihr Rad?« Der Verdächtige nickte. Im gleichen Moment kam ein Polizist mit einem Bolzenschneider hinzu. »Gehen Sie bitte mal auf die Seite. Ich soll das Schloss knacken, damit wir das Rad sicherstellen können.« Ich schüttelte den Kopf. »Das können Sie sich sparen, hier liegt ein Irrtum vor. Das ist nicht der Täter.«
Frage: Was war Reiner Palzki aufgefallen?